Vor 11 Jahren war ich zum ersten Mal

in Istanbul. Ich hatte 24 Stunden Aufenthalt vor meiner Weiterreise nach Israel. Ich hatte den Galataturm gefunden, und nun saß ich auf einer Bank in dem kleinen Park unter dem Turm, genau an der Stelle, an der uns Propheten mein Freund Mete letzten Sommer das frühere Stadttor von Galata gezeigt hat. Ich saß auf dieser Steinbank, genoß den Vormittag und schrieb etwas in mein Notizbuch, oder vielleicht zeichnete ich die Häuser gegenüber der Bank oder den Obstverkäufer, wie er mit Gewichten auf seiner Waage Melonen oder Pfirsiche abwog.
Da blieb ein junger Mann stehen, sprach mich an und setzte sich bald zu mir. Ihm war meine Ruhe aufgefallen und mein Interesse an der Gasse. Wir stellten uns vor, plauderten ein bißchen, und nach spätestens 5 Minuten fragte er mich nach Gott. Ob ich an ihn glaube. Denn er hatte noch kaum Christen kennengelernt, die an ihren Gott glaubten. Er war sichtlich erfreut über meine Antwort, und er stellte die zweite Frage: An wie viele Götter glaubst du? Und wer ist Jesus?
Er versicherte mir, wie sehr er Isa schätze und verehre, ein großer, vielleicht der größte Prophet vor Mohammed. Aber dass er Gott sei? Dann hätten wir zwei Götter.
Ich weiß nicht mehr, wie lange wir über die Trinität gesprochen haben an diesem Vormittag, aber bis zum Abend hatte Mehmet mir den großen Basar gezeigt, die Suleimanja-Moschee, wir waren essen gewesen in einem schattigen Nebengäßchen und hatten uns in einem Hamam ausgeruht, mit türkischer Massage und Apfeltee, wie es sich gehört. Meine erste Begegnung mit der Millionenstadt hatte mich vor die Dreifaltigkeit geführt, vor das Eigentlichste meines christlichen Glaubens, und hatte mir selber die Brisanz dieses Glaubens vor Augen geführt.

2. Unser christliches Abendland hat das Systemdenken hervorgebracht in einer Zeit, die wir Aufklärung nennen. Seither wurde die Erde mit Nationalstaaten überzogen, in politische Systeme aufgeteilt, von unserem Wirtschaftssystem erschlossen und von Waffensystemen gesichert. Systeme versuchen, eine Einheit herzustellen, wo Dinge verschieden sind. Wenn z.B. in einem Land Menschen verschiedener Sprache leben, schon seit Jahrhunderten, so versucht der Nationalstaat, durch die Landessprache eine Einheitlichkeit zu erzeugen, welche die Verschiedenheit übersteigt und zuletzt aufhebt. Der freie Markt verlangt, dass alle Firmen ihre Waren zum Kauf anbieten können, ohne Einschränkungen. Die großen Firmen schlucken die kleineren und bieten alsbald unter verschiedenen Namen immer gleiche Produkte an. Unser Kritischer Konsument-Plakat der Ökogruppe hat z.B. im Mai gezeigt, wie 99,1 % von dem Fleisch, das in Österreich gekauft und gegessen wird, aus Massentierhaltung stammt, von Tieren, die nie die Sonne gesehen haben.
Die Bibel spricht dagegen von einer ganz anderen Art von Einheit: Ich und der Vater sind eins. Aber verschieden. So verschieden, dass der Vater den Sohn dahingibt, in den Tod gibt, in die äußerste Gottesferne, dorthin, wo jede Freiheit endet. Auch die Gottes. So riesig ist die Spanne Gottes, vom Inbegriff des Lebens und Seins bis zum Tod und dem Nichts. Gottes Liebe ist das Herschenken, das Hergeben. Der Abschied, der dennoch niemals aus der Nähe führt. Denn die Getrennten sind im Gebet vereint. Oder anders gesagt: Das Gebet ist eine Art, wie die Getrennten eins sind. Ebenso die Hoffnung, das Vertrauen, die Taten der Liebe. Die Verschiedenheit, sogar die Trennung, ist also Voraussetzung der Liebe. Und die Liebe ist der Geist.

3. Wie kann eine Gemeinde wachsen, die der Dreifaltigkeit geweiht ist. Sie wird wohl Verschiedenheit schätzen, die Verschiedenheit der Dienste, der Priester und der Laien, der Frauen und der Männer, der Jungen und der Alten. Und die einen werden sich an den anderen freuen, dass sie so sind, wie sie sind. Dass nicht alle so sein müssen wie wir. Aber nicht in Gleichgültigkeit: mach, was du willst, mir egal. Sondern in Sorge: werden das richtige Wege sein, richtige Antworten. Werden wir nichts Wichtiges übersehen. Die Gemeinde der Dreifaltigkeit wird riesige Energien freisetzen, wenn ihre Einheit noch größer ist als die Verschiedenheit. Wenn sich sogar ganz Fromme einigen können mit den Ungläubigen, und wenn Liebende einen Weg finden mit den Gleichgültigen zusammen.
Aber das, ihr Gläubigen, braucht die Geistesgaben, nur der Geist gibt solche Einheit. Seht nur die Schwäche unserer geteilten Kirche an, all die Eifersüchteleien und Vorbehalte. Bittet um den Geist, ihr Gefirmten und Nochnichtgefirmten, dass er uns zusammenführe. Alle.
SCHLAGLOCH - 18. Jun, 18:05

Hallo! Ob ich an Ihn glaube?

"Er hatte kaum Christen kennengelernt, die an ihren Gott glauben." Liegt es daran, dass man in jedem Jahrhundert Gott anderst dargestellt und gelehrt hat. Muß von jeder Generation, Jahrhundert, Gott neu definiert werden und bei welcher Defination sind wir heute. Die Aufklärung hat den Zweifel gebracht. Diesen Zweifel und die Zweifler wird Gott verstehen. Zweifeln ist ein schöpferischer Akt.
Gruss schlagloch.

weichensteller - 18. Jun, 18:45

Mehmets Frage

suchte das christliche BEKENNTNIS: Wer ist Jesus Christus den Christen?
Mal so mal so, das war ihm keine Antwort. Das war ihm lauwarm und unbestimmt.
Nun ist es nicht so, dass wir Gott definierten, das mag vielleicht ein Missverständnis der Aufklärung sein. Der Gott der Religion ist einer, der sich offenbart, von sich aus. Eben in Christus, der liebend den Menschen nachgeht und ihnen sein Leben schenkt. Das war nicht unsere Idee.
Das hat Mehmet wissen wollen. Und die Moslems, die heute nach unserem Bekennntnis fragen, sind durchaus beeindruckt von der unfassbaren Freiheit der Christen, deren Gott einer von ihnen ist und auf ihrer Seite

Aufgrund des Glaubens gehorchte Abraham dem Ruf, wegzuziehen in ein Land, das er zum Erbe erhalten sollte; und er zog weg, ohne zu wissen, wohin er kommen würde.

Hebr 11,8

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