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Sonntag, 4. September 2022

Dschungel

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Wir fahren eine gute Stunde bis zum Fluss.
Der Wagen haelt am Kiesstrand zwischen Huetten.
Sofort sind wir von jungen Maennern umringt.
Wir steigen ins schmale, lange Boot, das vorne offen ist.
Es geht flussaufwaerts
ruhiges braunes Wasser
der Blick geht bis zur naechsten Flussbiegung
das Wasser wird unruhiger
ein anderer Fluss muendet hier
starke Wellen
drueben ist das Wasser hoeher als hier
es gibt verschiedene Ebenen im Fluss
zuweilen ist am Ufer ein Areal mit Steinen abgetrennt
eine Motorpumpe bringt Wasser heraus
drinnen steht ein Mann, nur Kopf und Brust ragen heraus
ein Goldwaescher, sagt Hannes

Das Boot steuert ans Ufer
wir steigen die Flussboeschung hinauf
Chiko pflanzt sich auf
er wird mir Medizinpflanzen zeigen
wir dringen in den Wald ein
auf beinahe zugewachsenen Pfaden
Vogellaute
Rascheln und Knacksen von unseren Schritten
wir buecken uns unter Aeste und Lianen
es ist feuchtwarm
Chico hebt eine stachelige Frucht auf, die wie ein Seeigelpnzer aussieht:
das nimmt man als Kamm
ich koste Fruechte
und schnuppere an zerriebener Baumrinde
ein Zuckerrohrstamm, an dem man, abgeschaelt, saugt,
das ist saeuerlich und durststillend
Vor einem einzelnen Holzhaus zeigt mir Chiko den Garten:
Kaffee, Kaukau, Bananen, Mandarinen
wir steigen uber umgestuerzte Baeume
und ducken uns unter Aesten
wir stellen uns vor einen riesigen Stamm,
der nach allen Seiten Querstreben hat
Der Boden ist von braunen und gelben Blaettern bedeckt
oder von Schlamm und Pfuetzen
Wir steigen durch Baeche und Fluesse
Chiko voran mit der Machete
Einmal kommen wir zu einer Lichtung
ein Feld, den Hang hinab
die Muehen der Rodung sind zu sehen
gruenes Kraut und junge Baeume streben hoch
nach Stunden stehen wir auf einer Kuppe, die gerodet ist
und einen Blick freigibt:
jetzt werden wir bald das Dorf erreichen!
Wir ziehen ein unter einem Strohdach mit dem Dorfnamen
einen breiten, kotigen Weg hinunter
und nochmals durch ein Fluesschen:
wir sind da,
verschwitzt, blossfuessig, froehlich
wir waren schnell, sagt Hannes,
das Essen ist gleich fertig!

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Freitag, 2. September 2022

Schamane

Schwarze Augen
aus dem Finstern
klar und ruhig auf mich gerichtet
aus dem Schatten des mit einer nackten Gluehbirne spaerlich beleuchteten Raums.
Sie hat mich von Anfang an auserwaehlt
die kleine schwarze Huendin mit dem kurzen Fell
und spricht nun zu mir in der Stille
vor mir stehend zwischen mir und dem Schamanen,
der auf dem Stuhl sich vorbereitet
mit Bechern und Schalen vor sich am Tisch,
einer Schnapsflasche,
einem Buschen Ajapanga
und einer Zigarette.
Er hatte die Kette mit Guerteltierzaehnen umgelegt, als er meinen Beruf erfahren hat, und sich das Band mit dem Samen auf den Kopf gesetzt, damit alles auch aeusserlich seine Ordnung hat. Er hat den Lianensirup getrunken, der ihm Bilder aufsteigen laesst, und wartet jetzt auf die Wirkung mit halbgeschlossenen Augen, der alte Mann, der seit einem Unfall vor wenigen Jahren seine Kruecken neben sich stehen hat.
Seine Familie sitzt rundum auf einer niederen Bank und unterhaelt sich leise und ungezwungen, seine Frau, drei Soehne, eine Schwiegertochter. In der Mitte eine Feuerstelle, auf der ein Stock glost ueber drei Steinen - darueber ein Kessel von der Decke haengend. Ich hocke auf einem niederen Schemel vor dem Schamanen und kraule die Huendin.
Er beginnt zu pfeifen, eine Melodie aus zwei Toenen, spaeter sing er, es sind Bitten an die Geister des Wassers und des Waldes um Staerkung und Reinigung. Er streicht mit dem Ajapangabuschen ueber meinen Kopf, die Schultern, die Oberarme, immer wieder, langsam, bestimmt. Er heisst mich umdrehen, streicht weiter ueber Kopf, Schulter, Ruecken, lange, ich vergesse die Zeit.
Das Murmeln der Familie, zuweilen ein Lachen, in den Pausen die Zikkaden von draussen durch die angelehnte Tuer, sie rufen wie ein Sekundenzeiger, zuweilen eine Stimme vom finsteren Dorfplatz.
Er legt die Haende auf meinen Kopf,
er blaest Rauch auf meinen Kopf,
dann wieder das Klopfen.
Es ist eine Reinigung.
Danach hat er gesagt, keine Krankheiten, einige Sorgen, nichts Wichtiges.
Es wird alles gut.
Die Huendin ist verschwunden

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Donnerstag, 1. September 2022

Amazonas

Stille Wasser
lautlos gleitet das Boot
gruen auf beiden Seiten
Schatten Sonne Schatten
stehende Luft
Fluegelschlaege
Flattern schnell
Rauschen kurz
da, ein blauer Vogel stelzt ueber Zweige am Wasser
Schritt um Schritt
ein Jaeger wie ich
endlich scharf
wir hoeren Laute
Augen und Ohren am Ufer, im der Luft, in den Baumkronen, auf der Wasseroberflaeche
der Bootsfuehrer deutet hinauf
nun sehe ich die Affen
Chichico, zwei, drei
wir gleiten weiter
ein Pirol von rechts nach links,
von links nach rechts
gleiten weiter
gleiten zu dritt
Augen und Ohren
dort ist etwas
am Ast, der schaukelt
gross wie ein Rebhuhn
nun sehe ich ihn gegen den Himmel:
braun, gelb, Federschopf
lange Huehnerbeine
dreht am Zweig um, schreitet zurueck: ja, ein zweiter!
Hoatzin, der Urzeitvogel,
ein schlechter Flieger,
aber auf der Erde seit den Zeiten der Saurier
fuenf, sechs, eine ganze Sippe!
sie plappern heiser
wir horchen und schauen
und gleiten auf weisser Haut
und dann etwas Graues neben dem Boot
bewegt sich auf uns zu,
unter uns,
wir kehren und erblicken ihn:
eine Paiche!
groesster Amazonasfisch
kraeftiger Leib, Flossensaum in Lachsrot uebergehend bis zum Schwanz,
der Schlaengelbewegungen macht wie der Bootsfuerer mit dem Paddel
er wirft ihm Brotstuecke zu
dere Fisch schwebt heran,
oeffnet sein kreisrundes Riesenmaul,
und schluck!
er bleibt um uns
er mag uns
Hannes streichelt ihn
es gefaellt ihm
in Tena zurueck, essen wir heute Fischsuppe mit Wels

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Aufgrund des Glaubens gehorchte Abraham dem Ruf, wegzuziehen in ein Land, das er zum Erbe erhalten sollte; und er zog weg, ohne zu wissen, wohin er kommen würde.

Hebr 11,8

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