Dienstag, 11. September 2007

Die Auflösung des Papstes

Gut, wir haben gesehen, dass er wirklich da war, im Fernsehen oder an Verkehrstaus, obwohl die ja auch andere Ursachen gehabt haben können, wir haben gehört, er hätte etwas zur Abtreibung gesagt, die Fristenlösung sei keine Lösung und kein Recht, immerhin eines der bestgehüteten Tabus unserer Zeit, sogar Aufzeichnungen dazu sind untersagt, in das im Beamtenstaat Österreich, keine Statistiken, nur Schätzungen, sogar Ärzte fürchten um ihre Stellung, wenn sie sich dazu äußern öffentlich würden, ein öffentliches Tabu sozusagen, und die Kirche rüttelt daran und bekommt dafür Schläge, nun sage einer, die Kirche hätte sich nicht gewandelt, und gerade der Papst, höchster Würdenträger, sticht in dieses Wespennest, um das wir alle große Bögen machen, auch über die Protestanten hat er schon einmal etwas gesagt, in der selben Rede, in der es auch um den Islam ging, das hat die Öffentlichkeit alles registriert, sie hat sich augenblicklich echauffiert und im selben Moment ihrer Entrüstung gebrüstet, sich zurückgelehnt und den Kopf geschüttelt weltweit, und dann Steine geworfen und Kirchen angezündet und einige Geistliche ermordet, was sie ja seit Jahrhunderten tut, aber das weiß die Öffentlichkeit nicht, denn die Öffentlichkeit hat kein Gedächtnis, sie entwickelt sich auch nicht, es sind Rituale, gleichbleibende unwillkürliche Gesten, Reflexe, könnte man sagen, das Schnauben und Zähnefletschen verläuft in den Nervenbahnen der Welt, die sofort gereizt sind, wenn einer von Wahrheit spricht so wie meine Katze, wenn man ihr das Futter wegnimmt, denn das kann nicht stehenbleiben, so groß darf man den Menschen nicht machen, dass er sogar wahrheitsfähig sei, nein, der Mensch ist nur als Reflex zulässig, solange er in die Einkaufszentren rennt und dadurch die Wirtschaft belebt und Arbeitsplätze schafft, man sagt ihm das durch die Blume, und er reagiert, er rennt, man kann die Uhr stellen nach ihm, und Reflexe fragen nicht, niemand will wissen, was er da zusammenkauft, woher das kommt und wer das macht, und was dann daraus wird,/
und so fällt auch niemandem auf, dass uns die Menschen ausgehen, zwar wettert man gegen den Import von Menschen, damit sie nicht ganz ausgehen, aber Importe sind schlecht für die Bilanz, also ohne Menschen, und da braucht auch der Papst nicht dreinreden, sonst drehen wir ihn durch die Maschine, damit er so weich wird wie die Sonntagsreden vom christlichen Sonntag oder den christlichen Wurzeln Europas, ein Salbadern, das schon zu viele im Mund gehabt haben, oder den Schutz des Lebens oder die Heiligkeit der Schöpfung, das haben wir schon herabgestuft zu bunten Vorgärten und naturbelassenen Flußufern, allenfalls einmal eine Bergwanderung für die Naturverbundenheit, es soll halt dem Verkehr und der Entwicklung nicht im Weg sein, wer wollte die Entwicklung behindern, jetzt, wo wir schon so weit sind mit der Abschaffung des Menschen,/
und dann kommt der Papst, und wir hören, dass nur drei Gegendemonstrationen angemeldet sind, nur drei bisher, sagt der Nachrichtensprecher, nur drei angemeldet, als wäre das zuwenig, vielleicht sollten wir uns schuldig fühlen und zur Tat schreiten, oder als wären die übrigen Gegendemonstrationen illegal, weil nicht angemeldet bisher, was aber weniger schlimm wäre, denn es ist eine tolerante liberale Öffentlichkeit,/
und dann sehen wir in der ersten Zeile, wer aller auch dort war in Mariazell, etwa der bekennende agnostische Bundespräsident oder die islamischen Jugendlichen, und allen hat es gefallen, trotz Regen, Show oder Seelenmassage, besser als letztes Mal, gut, man kann auch gegen diesen Prunk sein, sagen meine Gäste, wozu soviel Spektakel um den alten Mann, während andererseits das Spektakel im neuen Fußballstadion am Vortag hierzulande beinahe mehr Gehör fand, vom Spiel selbst wollen wir schweigen, wenn nur wenigstens das Stadion voll war,/
und abends diskutieren dann die würdigen Herrn und Damen darüber, was das alles gebracht hat, welche nachhaltigen Wirkungen zu erwarten sind, und so sind bestimmt wichtige Impulse ausgegangen von Mariazell, wofür uns die Pastoralämter ja auch ein Jahr lang mit Papieren und Anregungen versorgt haben, aber es wird wieder keinen Fortschritt gegeben haben in den wirklich wichtigen Fragen der heutigen Kirche, die die Menschen bewegen, und das sind der Zölibat und die Frau in der Kirche, versichert uns die Herrn und Damen, denn an diesen Fragen kranke die katholische Kirche, sagt man uns seit 20 Jahren, viele haben das unterschrieben, aber die Kirche ist ja leider noch keine Demokratie, wie auch der menschliche Leib, dessen Gesundheit und Wohlergehen nicht mehrheitlich festgelegt wird,/
und so ist zwar das Krankmachen gelungen in diesen Jahrzehnten, diese beste der Wiener Eigenarten, die ich hier in der Provinz beinahe vermisse, hier wächst alles wie Kraut und Rüben, unreflektiert und aufs Geradewohl, da hält man sich nicht mit ideologischen Grabenkämpfen auf, gut ist, was uns nützt, uns, die es uns richten können, das ist einfach und natürlich und ideologiefrei und reflexionsfrei, während in Wien alles argwöhnisch beobachtet wird und dann, im kritischen Moment, abgeschossen, das ist innerhalb der Kirche so und gegenüber der Kirche, noch und noch habe ich das erfahren in meiner Ausbildungsstätte und in den Ausbildungspfarren, Gott hab sie selig, aber auch in der Politik, in der Kunst, oder etwa an der Universität, was wurde ich da gelobt für meine Eigenständigkeit, solange ich nur vor mich hin arbeitete, aber als referierender Fachmann, das wäre eine Konkurrenz, und so streicht man mich von der Liste, die Angst um die eigene Position scheut keine Peinlichkeit,/
und so befinden wir uns am Abend der Tage mit dem Papst wieder in den Zölibatsritualen, aus denen, wie uns würdige und besorgte Damen und Herrn versichern, das kirchliche Leben besteht und die zeitgemäße Hoffnung der Kirche, und so werde ich mir wieder bewußt, dass keine der Pfarren, in denen ich bisher gearbeitet habe, genügend zeitgemäß war, denn da ging es immer um Fragen wie der nach Gott oder, wie man Menschen heranführt an ein kirchliches Leben, oder wie man an Gott glauben kann, die auch der Papst stellt, oder um Fragen des Gebets oder des Zusammenlebens zwischen Eltern und Kindern, Männern und Frauen, und wir Priester, die an diesen Fragen teilhaben, werden von diesen abendlichen Herrn und Damen für inkompetent erklärt, weil die Teilhabe an der Entwicklung der Schulkinder, der Kommunionkinder und Firmkandidaten nicht zählt, oder das Mitleben mit jungen oder älteren Ehepaaren, sondern anerkannt wird nur, wer selbst von der Scheidung bedroht ist, aber alle diese Abwertungen wiederholen sich ja seit Jahrzehnten, die Teilnehmer an den Analysen bleiben, man braucht nur den Namen zu hören und kennt den Diskussionsverlauf, oder überhaupt nur die Anfangsbuchstaben, oder eigentlich genügt schon die Sendezeit, um 18.00 Uhr sprechen, und 22.00 Uhr diskutieren, es ist erstaunlich, wie fortschrittlich und liberal die Herrn und Damen Kritiker sind, von denen ich manche seit Jahrzehnten kenne, graue Mäuse und völlig unscheinbar und bieder, die nichts davon ahnen, dass Nietzsche den Sklavenaufstand der Moral angekündigt hat in der Herrschaft der Unscheinbaren, denen die Kirche Raum und Boden gegeben hat, zu Wort zu kommen, oder davon, wie Kierkegaard über die Pfaffen schimpft, die mit selbstherrlichen und populistischen Reden das Christentum abschaffen, sondern sich im Gegenteil ehrliche Sorgen machen um die Kirche unserer Tage, und ich gehe wieder in mich und hinterfrage meine Unzeitgemäßheit, weil ich keine großén Zölibatsprobleme habe, sondern anstelle von Sorgen um Frau und Kind Sorgen habe um das Glaubenswachstum meiner Gemeinde, aber die würdigen Herrn und Damen sind geduldig, sie werdens schon noch einige Male wiederholen, bis mir endlich der Knopf aufgeht und ich den Fehler bemerke, an dem die ganze Kirche leidet weltweit, und sehen Sie, auf diese Weise ist der Papst verschwunden, dessen Unfehlbarkeit genau reguliert ist und nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen beansprucht wird, zwei Mal ist das eingetreten in der Geschichte, während sich die Herrn und Damen allabendlich unfehlbar im Dialog befinden und die Wahrheit verkünden, der nicht widersprochen wird, und zwar aus Sorge, während sie recht gut leben im Pelz der Kirche, gut ernährt von ihren Säften, und dafür da und dort ein Jucken verursachen, so daß wir uns kratzen werden am Abend dieses Tages, an dem Tausende von uns gepredigt haben zu Tausenden über die Entschiedenheit der Nachfolge Jesu, der nicht Massen sucht, sondern Glauben und Vertrauen, und solche lieber wegschickt, die ihr Kreuz nicht tragen können, anstatt sie alle zu locken und zu ködern mit verbilligten Eintrittskarten, die Sorge Jesu scheint geradezu den Überredeten zu gelten, und nicht den Überzeugten, denn was wäre ein Fundament ohne Turm, während wir den Leuten die Baugründe nachwerfen, irgendetwas wird dort schon entstehen, und in diesem Rübenacker wohne ich und fahre zickzack zwischen meinen Pfarren,/
wie Ikonen aufgerichtet, gut sichtbar aufgestellt im Abendprogramm und beleuchtet, diese Zunftmeister der modernen liberal-kritischen Kirche, und haben in den Jahrzehnten ihrer Herrschaft eine Zunft hinter sich gesammelt, die mit Inbrunst ihre Parolen wiederholt und unmerklich eine Umwertung vollbracht hat, die Nietzsche noch nicht gekannt hat, nämlich was Kritik ist, und was als kritisch gilt, und während die Theaterkritiker noch immer im Dialog sind, dessen Ergebnis von Jahr zu Jahr das gleiche ist und leider noch immer den Dialog vermissen, kann nicht ganz ausgeschlossen werden, dass es ein anonym verfaßtes Stück ist, dessen Darsteller sie eben sind, während der Kritiker still zuhause angelangt ist mit einem stillen Lächeln, das bedeutend mehr zu sagen vermag als viele Worte

Aufgrund des Glaubens gehorchte Abraham dem Ruf, wegzuziehen in ein Land, das er zum Erbe erhalten sollte; und er zog weg, ohne zu wissen, wohin er kommen würde.

Hebr 11,8

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