Montag, 24. September 2007

Kärnten und das Ende

Am liebsten hören die Angehörigen, was der/die liebe Verstorbene getan hat im Leben, Verdienste für die Allgemeinheit, meistens aber für eben diese Angehörigen. Ein ganzes Leben für die Familie, immer für uns Kinder da, schwere Zeiten, mit wenig eine Existenz gegründet. Sehr oft muß ich erst nachfragen nach dem Beruf, nach dem früh verstorbenen Gatten. Manchmal ist es den Angehörigen zuwenig, was ich dann über die Vergangenheit sage von den Einzelheiten, die sie mir vorgelegt haben, und zuviel von der Ewigkeit.
Bischof Kapellari hat mich, als ich in Kärnten auftauchte, gewarnt vor dem ausgeprägten Totenkult hier. Es sind stets mehr Menschen am Friedhof als in der Kirche, besonders in den Dörfern. Der bedeutende und einzige Kärntner Schriftsteller, der in seiner Heimat geblieben ist, Josef Winkler, schreibt unentwegt vom Tod.
Der Friedhof ist konfessionsverbindend und generationsverbindend. Am Sarg tritt die verzweigte Familie zusammen. Die Nähe zum Verstorbenen wird am Grab gesucht, nicht in der Eucharistiefeier. Die Nennung des Namens scheint wichtiger als das Gebet. Die Vorstellung, der Tote würde in der Erinnerung leben (vielleicht nur in ihr), kann mit einem Jenseits und erst recht mit der Ewigkeit wenig anfangen.
Der Blick geht zurück, nicht voraus, nach unten, nicht noch oben. Den meisten Menschen würde, dass in der Ewigkeit keine Ehe existiert, weil alle Menschen in Liebe miteinander und mit Gott verbunden sind, blasphemisch erscheinen. Andererseits gibt es aber keine volkstümliche Vorstellung von der leiblichen Auferstehung.
Dabei ist der Tod das einzig sichere und endgültige, das in unserer sich unaufhörlich verändernden Welt existiert. Wir modernen, wissenschaftlich empfindenden Menschen vermessen die Welt bis zu den Atomkernen und meinen, das Geheimnis des Lebens mit den Genen in die Hand nehmen zu können. Wir fahnden nach den Jungbrunnen und wähnen sie in Sport und gesunder Ernährung, in Genuss und Gesellschaft, in Planung und Innovation gefunden zu haben. Aber wir verschieben nur Fristen und dünnen das scheinbar Gewonnene weiter aus.
Es ist der Gegensatz, den wir scheuen. Um ihn zu umgehen, bauen wir Brücken: die Sterbeerlebnisse Reanimierter, die Unendlichkeit des Universums, die sogar mein Schuldirektor mit der Ewigkeit in eins setzt, und er ist Physiker und Mathematiker.
Der fundamentale Unterschied zwischen den schnellen und unbedeutenden Ereignissen unserer Tage und der wesenhaften Stille, die uns erwartet, zwischen der atemlosen Vergänglichkeit und dem Eigentlichen, das wir sein werden, und ganz besonders der Unterschied zwischen unserer Selbstbezogenheit, in der wir das Glück suchen, und der Bezogenheit auf Gott, in der die wirkliche Fülle ist. Und spätestens hier sieht man: Ein Leben, das um die Ewigkeit weiß, verläuft anders und hat eine andere Tiefe als eines, das in der Endlichkeit aufgehen will. Hat man nicht bemerkt, dass jene den Menschen klein machen, die die Ewigkeit negieren, aber im Angesicht des Todes seine Würde sichtbar wird?
Der Oktober wird uns zeigen, wie viele Unterschiede es da im Leben gibt: gegenüber Sterbenden, die aus dem täglichen Leben in Anstalten ausgezogen sind, gegenüber Ungeborenen, die zu einer Krankheit erklärt werden oder gegenüber Leid, das für sinnlos gehalten wird. Und dieser Oktober wird insofern ein kritischer sein, weil im Umgang mit dem Tod ja wir Lebende offenbar werden. Vor dem Schweigen des Todes wird unser Leben umso beredter.

Aufgrund des Glaubens gehorchte Abraham dem Ruf, wegzuziehen in ein Land, das er zum Erbe erhalten sollte; und er zog weg, ohne zu wissen, wohin er kommen würde.

Hebr 11,8

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